Auf schmalem Grat
Das 4063 m hohe Ober Gabelhorn gehört angeblich zu den fünf anspruchsvollsten Viertausendern der Schweiz. So steht es zumindest geschrieben. Selbst auf der Normalroute über den Nordostgrat wäre seine Besteigung ein anspruchsvolles Unternehmen.
Soweit die Vorschusslorbeeren dieses Gipfels. Die schönste Art, das Ober Gabelhorn zu besteigen, ist aber nicht der Normalweg sondern seine Überschreitung: Wir entschieden uns, das von Süden nach Norden zu tun: Den Arbengrat vom gleichnamigen Biwak hinauf und den Nordostgrat und die Wellenkuppe zur Rothornhütte wieder hinunter.
Ein ziemlich langes Unternehmen, welches über viele Stunden hinweg die volle Aufmerksamkeit erfordert, vor allem, weil der Abstieg über den Nordostgrat wesentlich anspruchsvoller als der Aufstieg ist.
Die erste Etappe ist der lange Weg von Zermatt zum Arbenbiwak. Selbst wenn man ihn mit der Bahn ein wenig bis zum Schwarzsee abkürzt, sind es noch locker vier Stunden, das Bier auf der Stafelalp natürlich inklusive. Denn mal kurz an diesem wirklich schönen Ort direkt unter der Nordwand des Matterhorns zu verweilen, sollte man sich nicht entgehen lassen. Soviel Zeit muss sein!
Wir hatten eine Menge über das Arbenbiwak gehört und gelesen. Sensationell schön gelegen und sehr gemütlich sollte es sein, mit unverstelltem Blick auf die Matterhorn Nordwand. Zwar nicht bewirtschaftet aber ausgestattet mit Kocher, Gas und Geschirr, 15 Schlafplätzen und einer Toilette mit der angeblich besten Aussicht der gesamten Alpen!
Lange Rede kurzer Sinn, das Arbenbiwak erfüllte alle Wünsche, die wir an es hatten und zu unserem Glück hielt sich dort nur noch eine andere Zweierseilschaft auf. Wir hätten diese Ruhe gut genießen können, wenn diese Seilschaft nicht ein Schweizer Bergführer geführt hätte.
Also mal unter uns. Den Schweizer Bergführern eilt ja ein wirklich nicht so toller Ruf voraus. Ich will hier gar nicht anführen, was ich alles schon über ihr unmögliches Benehmen gehört habe. Aber persönlich kannte ich keinen, konnte mir somit kein Urteil erlauben und wollte auch partout keine Vorurteile pflegen. Doch nun habe ich meinen allerersten getroffen und zack erfüllte der doch gleich sämtliche Klischees. Aber ich gebe die Hoffnung natürlich nicht auf, dass es auch freundliche, entspannte und hilfsbereite Menschen unter ihnen gibt.
Die Tour über den Arbengrat auf den Gipfel des Ober Gabelhorns ist eine Genusstour. Man kann sich eigentlich nicht versteigen, der Fels ist rau und fest, und es gibt genügend Absicherungsmöglichkeiten für Schlingen, Friends und Keile, allerdings keinen einzigen Bohrhaken. Aber die wären hier auch völlig fehl am Platze.
Manchmal gibt es sogar Schlingenstände, denn über den Arbengrat wird auch abgeseilt, wenn man die Überschreitung von der anderen Seite, also über den Nordostgrat, macht. Das würde ich persönlich aber nicht empfehlen, denn der Nordostgrat ist deutlich steiler und bietet sich folglich eher zum Abseilen an. Allerdings ist sowas ja immer auch eine subjektive Sache.
Die Abseilerei auf der anderen Seite ist dann auch die deutlich größere Herausforderung bei dieser Tour als der Arbengrat selbst. Man sollte eine Menge Routine diesbezüglich haben, wenn man in diese Route einsteigt. Auch die Passagen im Eis auf dem Weg vom Ober Gabelhorn zur Wellenkuppe sind bei ungünstigen Verhältnissen nicht ohne und kaum abzusichern. Man sollte also schon wissen, was man tut und vor allem immer die Uhr im Auge behalten. Zehn Stunden sind auf dieser Tour um wie nichts wenn man, wie wir, mit dem Fotoapparat herumtrödelt.
Ganz im Gegensatz zu unserem ursprünglichen Plan, nämlich am nächsten Tag noch den Rothorngrat auf das Zinalrothorn dranzuhängen und deshalb die Nacht auf der Rothornhütte zu verbringen, überließen wir uns nicht unserer Müdigkeit und einem Bier auf dieser Hütte. Für den nächsten Tag prognostizierten diverse Wettervorhersagen eine deutliche Verschlechterung. Deshalb stiegen wir noch in der Nacht wieder in unser wunderbares Hotel nach Zermatt ab.
Und wir hatten tatsächlich alles richtig gemacht, denn fast den gesamten kommenden Tag regnete es, so dass wir ohne schlechtes Gewissen noch einmal so richtig unser traumhaftes Hotel genießen konnten.
Und ich hatte endlich auch mal Zeit, mir Zermatt selbst anzuschauen, denn das hatte ich bisher noch nicht tun können. Und hier interessierte ich mich natürlich vor allem für das Matterhornmuseum, denn dort sollte das berühmteste Seil der Alpingeschichte ausgestellt sein. Das wollte ich natürlich unbedingt sehen. Und allein dieses Seil und die dazugehörige Geschichte war den Museumsbesuch allemal wert.
Denn eines der Mysterien der Katastrophe am Matterhorn am 14. Juli 1865 ist die Tatsache, dass die Sieben-Mann-Seilschaft lediglich durch ein dünnes, sogenanntes Clubseil verbunden war, während stärkere Seile mitgetragen wurden. Doch womöglich war gerade das die Rettung für die drei Überlebenden (Edward Whymper und die beiden Bergführer, Vater und Sohn Taugwalder). Denn das kaum bleistiftstarke Seil riss, nachdem vermutlich der 19 jährige Engländer Douglas Robert Hadow ausgeglitten war. Er galt jedenfalls als der schwächste und technisch am wenigsten versierte in dieser Seilschaft.
Die Geschichte der Erstbesteigung des Matterhorns und der Katastrophe auf dem Abstieg beschäftigt bis heute die Alpinhistoriker. Und das wird sie auch weiterhin, denn viele Fragen sind ungeklärt und werden es auch bleiben. Zum Beispiel ist einer der Verunglückten bis heute verschollen! Man kann also trefflich diskutieren und seinen Senf dazu geben.
Hauptursache für die endlosen Diskussionen nach diesem Ereignis sind übrigens die Schriften des Edward Whymper, der nach diesem Ereignis weltberühmt wurde. Die Bergführerdynastie der Taugwalders hatte dagegen, auch auf Grund von Anschuldigungen Whympers, schwer mit einem ramponierten Ruf zu kämpfen.
Das Matterhorn wird auch mich noch eine ganze Weile beschäftigen, denn ich werde, wenn ich gesund bleibe, nach Zermatt zurückkehren, um es zu besteigen. Wenn man vor hat, einige der schönsten Gipfel auf unserem Globus zu erreichen, dann kommt man am Matterhorn jedenfalls nicht vorbei. Und vielleicht werde ich dann auch wieder im Hotel Matthiol wohnen?
Hallo Olaf, ganz herzlichen Dank für die tollen und für meine Begriffe oft wagemutigen Erlebnisse. Persönlich werde ich es wohl nie ganz nachvollziehen können, was einen Menschen zu diesem schmalen Grad veranlasst, motiviert – von den grandiosen Natureindrücken und den entstehenden Gelegenheiten zum Fotografieren oder gar Filmen mal abgesehen ;).
Insofern beneide ich Dich schon (!) bzw. bewahrheitet sich der Spruch: wenn man(n) das Eine möchte, muss man das Andere einfach tun…
Beste Grüße und ich freue mich bereits jetzt auf die im September stattfindende von Dir wieder geschilderte und bebilderte Abenteuerreise zum Shivling!
Jens
Hallo Jens, vielen Dank für Deinen Kommentar.
Von den grandiosen Natureindrücken kann man nicht einfach so mal absehen. Sie sind vielleicht die wichtigste Triebkraft. Und natürlich auch die Erlebnisse mit sich selbst und seinem Partner in dieser besonderen Umgebung. Ein bisschen Neid, ist also schon angebracht 🙂
Dank an Sven, der mich auf diese Seite aufmerksam gemacht hat. 😉
Da danke ich Sven auch gleich mit…
Herzlich willkommen, Arndt.