Ein aufregender Tag!
Er wollte gar nicht so recht anfangen dieser Tag, denn es wurde nicht hell. Beim Blick auf die Uhr wunderte ich mich darüber. Aber die Ursache war rasch gefunden.
Er wollte gar nicht so recht anfangen dieser Tag, denn es wurde nicht hell. Beim Blick auf die Uhr wunderte ich mich darüber. Aber die Ursache war rasch gefunden.
Das Erste, was Georg heute morgen anmerkte, war ein Kommentar zu meinem letzten Satz in der News von gestern. Denn über Nacht ist der Luftdruck tatsächlich im freien Fall gesunken, und es donnert gerade ein Sturm über uns hinweg.
Nach einer wirklich eisigen Nacht folgte wieder ein besonderer Tag, der wie der gestrige bei uns nicht so schnell in Vergessenheit geraten wird. Doch bei der Nacht müssen wir uns noch einen Moment aufhalten. Es ist ziemlich beeindruckend, wie kalt es hier oben werden kann, und das im Frühling.
Es ist schon sonderbar, wie rasch wir hier von einem Extrem ins andere geraten. Gestern der Allzeit Negativrekord: 740 m an einem Tag. Stundenlange Schinderei und kaum vorwärts gekommen.
Es hört und fühlt sich so an, als wäre das Jüngste Gericht über uns hereingebrochen. Ein Sturm sucht uns gerade heim, wie ich ihn bisher nur am Everest in der Lhotseflanke erlebt habe.
So langsam beschleicht mich das Gefühl, dass wir bisher eine Menge Glück mit dem Wetter hatten. Die ersten drei Tage sowieso. Der Kampf mit dem Unterholz gestaltete sich zwar sehr unerfreulich, aber das Wetter war wohl für patagonische Verhältnisse geradezu ausgezeichnet. Die Sonne schien sogar manchmal. Seit dem regnet es fast ununterbrochen bei sehr moderaten Temperaturen um die Null Grad.
Nichts mit mehr Sicht! Es ist einfach zu gefährlich und auch zu aufwendig bei null Sicht über einen Gletscher zu gehen. Den richtigen Weg zu finden, was in unserem Falle den kürzesten und ebensten Weg heißt, wird ganz und gar unmöglich.
Die Augen suchen den Weg, die Füße gehen ihn, doch in mein Bewusstsein dringt dieser Vorgang nicht. Die Gedanken können umherschweifen. Die Menschen hassen es, all ihres Komforts beraubt zu sein. Es ist viel mehr so, dass sie ein starkes Bedürfnis entwickelt haben, immer mehr davon anzuhäufen.
Georg ist mit der ersten telefonischen News vom patagonischen Inlandeis zu hören. Da die beiden natürlich immer Strom sparen müssen, ist das eine gute Variante, mit der wir auf dem Laufenden bleiben können, auch wenn die Sonne mal nicht so scheint.
Heute war es nun gleich mehrfach soweit. Nachdem wir am Morgen die letzte Last von unserem gemütlichen Camp am See zum gestern angelegten Depot getragen hatten, kam die Pulka zum ersten Mal zum Einsatz. Wir haben die Schneegrenze erreicht. Ich dachte doch tatsächlich, dass nun alles einfacher werden würde.
Wir haben heute jeder ca. 50 Kilogramm 3,1 Kilometer (Luftlinie) weit getragen. Das Depot, wo die Sachen jetzt lagern, liegt 420 Meter höher als unser derzeitiger Biwakplatz. Da wir den Weg zwei Mal gegangen sind, liegen also 840 Höhenmeter im Auf- und Abstieg hinter uns.
Als ich noch zu Hause war und jeden Tag geduscht, satt und zufrieden ins weiß bezogene Bett gegangen bin, da habe ich häufig vor dem Einschlafen über eine australische Expedition nachgedacht, die vor einiger Zeit dasselbe vorhatte wie wir. Nach 19 Tagen waren die Jungs nur 15 Kilometer voran gekommen. Dann haben sie entnervt aufgegeben. Wie war das möglich? Was war los mit den Jungs? Weniger als einen Kilometer pro Tag? Wie konnte das sein?
Der Bob Dylan Song hat mich heute durch das Unterholz begleitet. Ich weiß die Antwort, warum wir uns das freiwillig antun, jedenfalls nicht. So habe ich mir den Zustieg zum Eis nicht vorgestellt.
Jorge Montt (1842-1922) war ein außergewöhnlicher Mann. Mit 15 ging er zur chilenischen Marine und machte dort eine steile Karriere. Als 1891 der Putsch gegen Präsident Balmaceda ausbrach, ging der Aufstand von der Flotte aus, die Montt inzwischen befehligte. Der Aufstand gelang und Montt führte die siegreichen Rebellen nach Santiago.
Georg lässt sich nicht gern aufhalten. Deshalb hat er alles daran gesetzt, es trotz des gestrigen Feiertages anlässlich der Entdeckung Amerikas, heute noch zum Jorge-Montt-Gletscher zu schaffen. Ich war ja aus bekannten Gründen diesbezüglich weniger enthusiastisch.
Am heutigen Montag, so der Plan, wollten wir in Tortel die restlichen Formalitäten bei der Polizei erledigen und ein Boot chartern. Doch heute ist Feiertag, alles hat geschlossen. Wegen unserer mangelhaften Spanischkenntnisse dauerte es eine Weile, bevor wir herausbekamen, warum an diesem 12. Oktober gefeiert wird.
Von Coyhaique bis nach Tortel gibt es leider keine direkte Busverbindung wie wir gedacht hatten. Darum mussten wir noch einmal einen Zwischenstopp in einem Ort namens Cochrane einlegen. Der Grund dafür ist die Tatsache, dass die gesamte Strecke nicht in einem Tag zu schaffen ist, denn die Straßen sind lediglich unbefestigte Schotterpisten.
Der knackige neue Slogan vom tapir, meinem Bergsportausrüster des Vertrauens, war gestern auch für uns fast wörtlich zu nehmen. Die Tapire meinen ihren Laden, in dem das Abenteuer beginnt. Unser Abenteuer begann auch schon hier und zwar in Berlin. Es ist immer das gleiche, und da kann man noch so viel reden und beschwören beim Flugticket kaufen. Steht man erst mal am check-in-Schalter, weiß niemand mehr von irgendwelchen Absprachen.
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