Der versteckte Berg
Der Hidden Peak steht im Karakorum zwischen dem pakistanischen Teil des Gebirges und dem von China beanspruchten Shaksgam Tal. Ausserdem ist er nur wenige Kilometer vom Conway-Sattel entfernt, der den Übergang in den von Indien kontrollierten Teil des Karakorums darstellt. So befindet er sich also genau im Dreiländereck von Indien, China und Pakistan und ist demzufolge auf Landkarten sehr leicht zu finden.
In der Bildmitte auf dem oben stehenden Foto aus dem Jahr 2012 sieht man den Nordgrat, der zum Gasherbrum-Sattel abfällt. Der Weg der Erstbesteiger (Peter K. Schoening/Andrew Kauffman, 5.7.1958), welcher als leichteste Route auf den Berg gilt, verläuft übrigens auf der entgegengesetzten Seite des Berges an der Südostwand bzw. dem Südostgrat, auch Urdo-Kamm genannt. Doch auf Grund des Kaschmir-Konfliktes mit Indien und der Besetzung des Siachen-Gletschers durch die indische Armee sperrte die pakistanische Regierung 1985 diesen südöstlichen Zugang zum Berg.
Ein Berg – Drei Namen:
Im Jahr 1856 erhielt der Hidden Peak seinen ersten Namen. Der britische Vermessungsingenieur Thomas Georg Montgomerie kartierte die Gipfel des Karakorum aus der Ferne und benannte sie mit dem Buchstaben K für Karakorum und setzte Nummern dahinter. Unser Hidden Peak bekam die Nummer 5. Sein erster Name war also K5. Doch diesen Namen trug er nicht allzu lange. Ein anderer Berg hat das „K“ und seine Nummer aber bis heute behalten und ist unter diesem Namen weltberühmt. Ich spreche vom K2 (8611 m). Viele wissen gar nicht, dass der zweithöchste Berg der Erde auch noch andere Namen hat, wie zum Beispiel Chogori – was soviel wie „Der Große“ heisst oder Lambha Pahar was in der pakistanischen Amtssprache Urdu ebenfalls hoher/großer Berg bedeutet.
Doch zurück zum Hidden Peak. Das Jahr seiner ersten Vermessung, die übrigens trotz der großen Entfernung und der einfachen Mittel erstaunlich genau gewesen ist, war auch der Zeitpunkt, als der deutsche Forschungsreisende Adolf von Schlagintweit als vermutlich erster Europäer das Gebiet des Baltoro-Gletschers erreichte. Der erste, der zumindest in die Nähe des Berges kam und von dem auch die erste Übersichtskarte des Gebietes stammte, war 1861 Henry Haversham Godwin-Austen. Der Herzog der Abruzzen, Luigi Amedeo di Savoia, führte im Jahre 1909 eine Großexpedition in das Baltorogebiet durch und war wahrscheinlich einer der ersten Menschen überhaupt, der den Hidden Peak aus der Nähe zu Gesicht bekam. Während dieser Expedition wurde auch erkannt, dass es sich bei den Bergen zwischen Broad Peak und Hidden Peak um eine durchgehende Kette handelte.
Der deutsche Geologe und Bergsteiger Günter Oskar Dyhrenfurth leitete 1934 eine große internationale Expedition in das Gebiet des oberen Baltoro Gletschers. Seinem Team gelang unter anderem der Aufstieg über den südlichen Gasherbrumgletscher in den Gasherbrumkessel und weiter hinauf bis zum Gasherbrum La, wo im Jahr 2001 unser zweites Hochlager stand.
Dyhrenfurth hörte während der Expedition den Namen Gasherbrum, einem Wort aus der Sprache der einheimischen Balti. Dieses Wort wird häufig mit „Leuchtende Wand“ übersetzt, in Anlehnung an die im Abendlicht erstrahlenden Westwände des Massivs. Doch genau übersetzt bedeutet „rgasha“-schön und „brum“-Berg, also Schöner Berg. Da es in diesem Massiv sechs gut voneinander abgegrenzte Gipfel gibt, wurden sie mit Gasherbrum I bis VI bezeichnet, wobei der Gasherbrum I als höchster Gipfel dieser Gruppe unser Hidden Peak ist. Die englische Bezeichnung Hidden Peak, zu deutsch „Versteckter Berg“, wurde vom britischen Bergsteiger und Forscher William Martin Conway im Jahr 1892 geprägt. Diese Namensgebung geht darauf zurück, dass er beim Anmarsch nie zu sehen ist. Er wird von den Gasherbrums IV bis VI verdeckt und kommt erst ganz weit oben auf dem Oberen Baltorogletscher zum Vorschein.
Ich persönlich verwende den Namen Hidden Peak, weil es so zu keiner Verwechslung mit den anderen Gasherbrums kommen kann und er nicht wirklich einen einheimischen Namen besitzt. Ausserdem gehört dieser Berg tatsächlich zu den abgelegensten der Weltberge. An die zehn Tage dauert der Anmarsch von dem auch schon sehr schwer zu erreichenden Askole. Weiterhin ist er von keiner bewohnten Siedlung aus sichtbar. Hidden Peak ist also ein sehr zutreffender Name.