Unsere beiden Gipfel liegen im Norden Perus in der Cordillera Blanca. Dieses kleine Gebirge ist nur 180 Kilometer lang und 20 km breit. Im Vergleich zum Himalaya geradezu eine Puppenstube. Und doch finden sich hier mehr als 30 Sechstausender von denen einige von bizarrer Schönheit sind. Besonders reizvoll ist auch der Kontrast zur subtropischen Pflanzenwelt der Täler, von denen aus zu den Bergen aufgestiegen wird.
Alpamayo, 5947 m
Dieser Gipfel wird erstaunlich oft genannt, wenn es darum geht, welcher der schönste Berg der Welt ist. Allerdings könnte der Name selbst kaum unpassender sein, denn er heißt nach einer Schlammflut, die sich im Oktober 1950 aus der benachbarten Laguna Jancarurish nach Nordosten ergoss: Allpa = Erde, Mayu = Fluss. Seine lokale Bezeichnung passt da schon besser: Shuyturahu meint soviel wie filigraner Schneegipfel (shuytu bedeutet lang, bzw. dünn und raju meint Eis, Schneeberg oder auch Gletscher)
Auf Grund seiner schwer zugänglichen Lage wurde der Alpamayo erst relativ spät unter den europäischen Bergsteigern bekannt. Und dann widersetzte er sich gleich drei Erstbesteigungsversuchen: 1936 scheiterte eine Expedition aus Österreich. 12 Jahre später mussten Schweizer wegen eines Wechtenabbruches nach nur 200 m Aufstieg in der Nordostwand umkehren, und 1951 waren die Teilnehmer einer Unternehmung aus Belgien und Frankreich der Meinung, mit dem Nordgipfel (5930 m) den höchsten Punkt erreicht zu haben. Dem war aber nicht so. Erst 1957 gelang einer deutschen Gruppe die erste Besteigung über den Südgrat.
Den schwierigen und wegen der Wechten auch objektiv sehr gefährlichen Verbindungsgrat zwischen dem Nord- und dem Südgipfel kletterten Briten zum ersten Mal 1966. Die Südwestwand (oben im Bild) wurde erst 1975 von einer italienischen Gruppe unter dem berühmten Casimiro Ferrari erstbegangen. Durch diese Wand führen heute die sogenannten Normalrouten, während die Grate des Alpamayo kaum noch begangen werden.
Artesonraju, 6025 m
Weil der Filmgigant Paramount diesen Gipfel in sein Logo eingebaut hat, kennt diesen Berg vom Anblick her fast jeder. Nur weiß der Filmfreund eben nicht, welchen Berg er da eigentlich vor sich hat. Und hört er den Namen, sagt er ihm in der Regel auch nichts. Und doch gehört der 6025 m hohe Artesonraju zu den makellosesten Berggestalten auf unserem Globus. Vor allem der Blick auf seine Südostwand lässt Bergsteiger einen Schauer über den Rücken laufen. Diese durchschnittlich 55° und im Gipfelbereich bis 70° steile Wand entwickelt sogleich eine magische Anziehungskraft.
Der berühmte Bergsteiger und Kartograph Erwin Schneider und E. Hein von der deutsch-österreichischen Alpenvereinsexpedition 1932 waren über den Nordgrat und den Nordostsporn erfolgreich. Die Route durch die Südostwand eröffnete 1969 eine deutsche Expedition unter Hans Saler.
Das Wort „arteson“ stammt aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Spanischen und bezieht sich hier auf „artesa“. So nennt man einen auf dem Kopf stehenden pyramidenförmigen Holzbehälter, in dem Teig geknetet wurde. Ein solches Gefäß wird auch als Futtertrog für Tiere verwendet. Raju bedeutet, wie wir beim Alpamayo gelernt haben, in der Quetchua-Sprache „Eis“.