Eigentlich hätte auch ich auf diese Idee kommen können, denn die Eindrücke waren noch ganz frisch. Bin ich aber nicht. Im Sommer 1989 war ich auf meiner allerersten großen Reise in Tadschikistan. Pik Energie hieß der Gipfel, den wir uns dort auserkoren hatten. Der Schlafsack am Berg bestand aus zwei zusammengenähten Steppdecken. Wir schliefen zu dritt dort drin.
Bevor ich zum ersten Mal irgendwohin zum Klettern fahre, besorge ich mir logischerweise einen Kletterführer. Und wie ich am Schluss des ersten Teils meiner Donautalbetrachtungen schon anmerkte, ist ein guter Kletterführer für mich so eine Art Katalysator. Er beschleunigt die Lust dort zu sein und endlich selbst Hand anzulegen. Und in diesem Werk zum Donautal findet sich alles, was das Herz begehrt: Übersichtsfotos der einzelnen Spots, Karten, um sie leicht zu finden, gute Topos und viele verbale Tipps und Einschätzungen zu fast jeder einzelnen der ca. 850 im Führer verzeichneten Routen.
Es sind per Luftlinie nur schlappe 14 Kilometer, auf welchen die noch junge Donau die Schwäbische Alb durchbricht. Aber diese paar Kilometer haben es in sich. Es ist nicht nur ein Tal entstanden, welches das Herz eines Naturliebhabers höher schlagen lässt. Auch die Herzen von uns Kletterern pochen deutlich schneller bei seinem Anblick. Denn durch die Erosion wurden Felswände aus fossilreichem Kalkstein freigelegt, welche beiderseits des Flusses teilweise senkrecht aufragen. Auf den höchsten Wänden schaut der Kletterer aus über 200 m Höhe auf die Donau hinab! Hier findet sich sogar die höchste außeralpine Felswand Deutschlands. Und genau an dieser Wand,...
Wer hat´s erfunden? Eben nicht die Schweizer. Es waren Sachsen. Wenn ich Leuten erzähle, dass die ersten Menschen, welche auf die Idee kamen, aus rein sportlichen Motiven und ohne künstliche Hilfsmittel auf freistehende Felsnadeln zu klettern, Sachsen waren, so ernte ich allzu oft ungläubiges Kopfschütteln. Nicht die Amerikaner oder vielleicht die Franzosen, deren seltsame Schwierigkeitsskala heute die halbe Welt verwendet? Ganz besonders viele Zweifler gibt es bei den Alpinisten, die auch noch aus den Alpen stammen.
Sie sah schon ziemlich gut aus die Route. Und der Blick in den Kletterführer bestätigte dies: Gut strukturierte Platten und eine schöne „technische“ Verschneidung sollte der „Sole Che Ride“ auf ihren fünf Seillängen einen abwechslungsreichen Charakter verleihen. Abwechslung mag ich ja ganz besonders. Doch vor allem die im Führer angegebene Schwierigkeit dieses Weges ließ mich die Sache rasch entscheiden. 6a in der französischen, also 6+ nach der internationalen Skala in der schwersten Seillänge. Kann ich klettern. Immer. Auch nachts um Drei mit 40 Fieber.
Als ich Ende März aus Nepal zurück kam und mich plötzlich im Lock down wieder fand, da konnte ich mir alles mögliche vorstellen. Eines jedoch nicht: Nämlich dass ich meine für Ende Oktober angesetzte Vortragspremiere zur Hidden Peak-Expedition werde verschieben müssen. Ich hätte mir nicht zu träumen gewagt, dass man die gesamte Veranstaltungsbranche über etliche Monate einfach abschaltet. Ich habe mich lange gegen diese Verschiebung gesträubt, ist so eine Vortragspremiere in meiner Heimatstadt Leipzig doch immer das wichtigste Ereignis des Jahres. Die Gründe dafür liegen auf der Hand:
Am 23. August 2017, einem Mittwoch, schien die Sonne hoch über dem Bergell, als sich 3,1 Millionen Kubikmeter Gestein vom 3369 m hohen Pizzo Cengalo lösten. Mit 250 Kilometern in der Stunde rasten die Gesteinsmassen den Berg hinunter. Es dauerte nur 30 Sekunden bis die gigantische Gerölllawine durch das Bondasca-Tal gedonnert war und in Bondo eintraf. 500000 Kubikmeter Geröll und Schlamm erreichten den Ort. 99 Gebäude wurden beschädigt, ein Drittel davon mussten später abgerissen werden. Weiter oben im Bondasca-Tal wurden acht Menschen verschüttet. Bis heute konnten sie nicht gefunden werden.
Es wird noch lange dauern, bis ich begreifen kann, dass es wirklich geschehen ist. In einer Pläsierklettertour im schweizerischen Gebiet Cheselenflue oberhalb der Stöckalp verunglückte Ralf Gantzhorn am 24. Juni tödlich. Ein Fehler beim Abseilen war offenbar die Ursache der Tragödie.
Als Montagne Maudite, also verfluchter Berg, wurde der Mont Blanc 1606 bezeichnet, als er das erste Mal auf einer Landkarte auftauchte. Schon 1741 begannen Erkundungen durch den Briten Richard Pococke. Doch ernsthafte Gipfelversuche wagte keiner. Erst nachdem eine Belohnung für eine Besteigung ausgesetzt war, gab es ab 1760 zaghafte Besteigungsversuche. Wir können uns den Mut dieser frühen Alpinisten heute nicht mal ansatzweise vorstellen.
Stellen Sie sich vor, man sagt Ihnen plötzlich, es ginge um Leben und Tod von Tausenden und Sie müssten jetzt schnell Entscheidungen treffen. Nur leider wüssten Sie gar nicht, was eigentlich los ist, denn von Virologie, Epidemiologie oder gar Mathematik haben sie gar keine Ahnung. Also holen Sie sich den Rat von Experten, möglichst den Besten ihres Faches.
Neulich stand ich wie schon hunderte Male mit einem Kletterführer in der Hand vor einem Felsen. 60 m hoch das Teil. Ich war da noch nie. Ohne Kletterführer einzusteigen, wäre ein echtes Abenteuer geworden, zumal die übergroße Mehrzahl der Aufstiege selbst abzusichern war. Also wo verlaufen hier die Routen? Welche Schwierigkeiten sind in welcher Route zu erwarten? Wie gut sind die Wege hier an dieser Wand mit mobilen Sicherungsmitteln absicherbar? Welche Route ist überhaupt lohnend, und wie komme ich von diesem Felsen wieder runter?
Es ist schwer, Naturräume zu finden, wo Mensch und Natur im Einklang miteinander sind. Doch wir Kletterer konnten bis gestern sogar ein ganz besonders beeindruckendes Beispiel dafür vorzeigen. Im Holzberg bei Böhlitz ist in den vergangenen 15 Jahren ein kleines Naturparadies mit einer verblüffenden Artenvielfalt entstanden. Und das obwohl Kletterer aus ganz Mitteldeutschland den Holzberg intensiv für ihren Sport genutzt haben. In einem umfassenden faunistischen Gutachten wird festgestellt:
Die guten Nachrichten reißen nicht ab! Ab kommenden Montag dürfen wir in Sachsen wieder Klettern fahren und noch viel wichtiger: Ab Montag können wir auch wieder in unserem Lieblingsausrüstungsladen einkaufen gehen. Der tapir öffnet wieder!
Gute Nachrichten gibt es noch. Sogar gleich mehrere. Zum Beispiel hat am 4. April eine weitere Charter-Maschine der Bundesregierung Touristen aus Kathmandu, der Hauptstadt Nepals, ausgeflogen. Genau vier Tage später als ursprünglich geplant. Heute gab es nun auch noch einen vierten Rückholflug. Jeder, der Nepal verlassen wollte, hatte nun auch die Gelegenheit dazu.
In unserer deutschen Lebenswirklichkeit kommt es womöglich öfter vor als es uns lieb sein sollte, dass alles genauso funktioniert, wie wir uns das wünschen. Und wenn es nicht so läuft wie erhofft, bringt uns das immer häufiger aus der Fassung. Damit umzugehen, haben wir nie wirklich gelernt.
Nun ist es auch uns passiert. Ich hoffte ja, meine News-Leser von den Nachrichten zu verschonen, von denen sie schon daheim zu Hauf bombardiert werden. Aber in eine News gehören nun mal die Dinge, die uns widerfahren. Und die haben inzwischen auch nur noch mit dem Virus zu tun.
Endlich ganz oben zu stehen, auf dem Gipfel eines hohen Berges, also sich selbst und alle anderen Hindernisse überwunden zu haben, verschafft eine Zufriedenheit, die wir im Alltag selten finden. Hier oben reagiert niemand auf uns und unsere Regeln, und wir können die Anwesenheit des Lebens wieder spüren.
Claudia und ich sind nach Tagnag abgestiegen. Hier wollen wir einen wohlverdienten Ruhetag vor dem Endspurt auf den Gipfel verbringen. Nach fünf Tagen Arbeit im Basislager und am Berg verlangte Claudia ganz dringend nach einer Dusche.
Anstecken werde ich mich hier nicht! Weil ich nämlich schon längst infiziert bin: Von der Schönheit, der Ruhe und der Erhabenheit dieser erstaunlichen Landschaft um mich herum. Und Claudia, die arme, macht das jetzt auch gerade durch. Der Himalaya ist extrem virulent.
In den vergangenen Tagen haben wir weiter an unserer Höhenanpassung gearbeitet. Am Mittwoch (11.03.) ging es nach Mong La auf 4000 m. Das sind 200 Höhenmeter mehr als unsere Schlafhöhe in Thame. Am nächsten Tag wanderten wir nach Machermo (4400 m) und gestern am Freitag (13.03.) erreichten wir Gokyo auf 4750 m.
Diesmal liegt es nicht an der dünnen Luft, die ja sonst meist der Übeltäter ist, wenn es jemandem nicht gut geht. Diesmal ist es Pech oder Schicksal oder kein Glück oder wahrscheinlich alles zusammen. Steffen muss wegen Knieschmerzen seine Ambitionen am Nirekha Peak aufgeben und Kai hat ziemlich massive Herzprobleme bekommen und musste leider die Heimreise antreten.
Wie soll ich eine spannende News schreiben, wenn alles reibungslos klappt? Läuft alles nach Plan, ist Langeweile vorprogrammiert. Ich aber bin gerade sehr froh, dass ich dieser News jenes Schicksal nicht ersparen kann.
Eisklettern, die Zweite. Ich stolperte mehr oder weniger direkt aus Brüssel, wo ich auf Dienstreise war und sich in meinem Kopf alles um Klima- und Tropenwaldschutz drehte, in den Eispark Osttirol. Dementsprechend verlief der erste Klettertag. Es funktionierte – nichts. Ich weiß noch, dass ich sehr lange an einem Fixpunkt das Abseilen vorbereitete. Was genau ich dort anstellte und warum, das entzieht sich selbst meiner Kenntnis. Oben geblieben bin ich jedenfalls nicht. Und den Rest des Tages habe ich bereits aus dem Gedächtnis gestrichen.
Ich gebe es zu: Am Anfang waren wir ein bisschen frustriert. Unser Holzberg war plötzlich in akuter Gefahr (und ist es leider noch immer). Aber so richtig gekümmert hat das anfangs nur wenige. Noch weniger waren es, die sich glasklar für die komplette Rettung des Holzberges aussprachen, auch auf die Gefahr hin, dass wir Kletterer dann womöglich das Nachsehen hätten, weil uns der Eigentümer das Klettern verbieten könnte. Und nur eine Handvoll Leute haben tatsächlich Zeit und Kraft in den Kampf für die Holzbergrettung investiert. DAS HAT SICH NUN KOMPLETT GEÄNDERT und ist ein Grund zu großer Freude und auch...
Ich musste das Eisgerät mehrmals einschlagen, bis mir dieses leichte Vibrieren signalisiert, dass ich jetzt womöglich Vertrauen in seinen Halt haben darf. Doch rund um die eingeschlagene Haue hat sich mit einem feinen, kaum wahrnehmbaren Geräusch eine Eisschicht abgelöst. Es hörte sich so an, als würde man ein dünnes Holzplättchen zerbrechen.
Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen
Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.