Wir sind zurück in der Zivilisation. Nach einem Eilmarsch vom Basislager nach Arando und einer abermals sehr schüttellastigen und abenteuerlichen Jeepfahrt nach Skardu, sind wir gestern wieder in der Wifi-Zone gelandet. Ich kann nun anders als im Basislager aus dem Vollen schöpfen, was die Anzahl als auch die Auflösung der Bilder anbelangt. Die Zeit des endlosen Sendens der winzigen Fotos via Satellit ist in den letzten Tagen dieser Reise vorbei.
Sich dem Himmel nah zu fühlen, erreicht man im richtigen Leben leider relativ selten. Beim Höhenbergsteigen, hart an der Grenze zur Todeszone, ist man dem Himmel zwar tatsächlich nah, aber eben nicht, wie es diese geklaute Metapher meint. Da habe ich viel zu oft das Gefühl, der Hölle näher als dem Himmel zu sein.
Sie sind fast täglich ein Thema. Wir alle lieben sie, fotografieren und beneiden sie auch. Ich spreche von unserem lebenden Fleischvorrat, unseren Hühnern. Sie sind dermaßen ihrem Schicksal ergeben und voller Vertrauen, dass sie keinen Schritt zur Seite weichen, wenn sie im Weg sitzen. Sie bewegen sich selten, lassen sich streicheln und genießen offensichtlich die letzten Tage ihres Lebens, denn sie wissen nichts vom Tod.
Mit der Artikulation von Gefühlen soll der alte weiße Mann ja Probleme haben. Indianer weinen nicht, war das Credo meiner Erziehung. Und wenn ich doch scheinbar grundlos rumgeheult habe, konnte es schon mal passieren, dass ich eine Schelle bekam, damit ich einen Grund hatte. Geschadet hat mir das ganz sicher nicht!
Wir haben die erste Etappe unserer Reise zum Spantik absolviert und sind nun in Skardu. Diese kleine und etwas unansehnliche Stadt ist der Dreh- und Angelpunkt für die Expeditionen und Trekkingtouren zu den ganz großen Bergen und Gletschern im Norden Pakistans. Wir sind tatsächlich geflogen, was uns zwar um die zwei Tage im Bus gebracht hat. Die grandiosen Landschaften und vor allem das gigantische Tal des Indus, welches man während eines großen Teils der Fahrt durchquert, sind diese Strapaze allemal wert.
Jeder kennt das. Eine Prüfung steht an. Man hat gelernt, war sogar recht gewissenhaft und fleißig und hat doch das Gefühl, nichts zu wissen. Das flaue Gefühl im Magen, diese unterschwellige Panik, auf die Fragen der Prüfer nicht antworten zu können, sich zu blamieren, macht einem zu schaffen. Und je näher die Prüfung rückt, desto intensiver wird dieses Gefühl. So ähnlich muss man sich das vorstellen, wenn man zu einem großen Berg fährt und die Verantwortung für zehn Leute auf einem lastet. Dem Berg ist es egal, wieviel Erfahrung wir haben, wie groß unsere Motivation ist, wie gut vorbereitet und...
Offensichtlich interessiert die Leute das brennend. Mir ist diese „Frage“ regelmäßig unangenehm, erinnert sie mich doch an mein scheinbar unlösbares Problem. Diese Neugierigen legen den Finger in die Wunde. Meist ist es noch nicht einmal eine Frage im klassischen Sinn. Eher eine Feststellung, die eine Entgegnung verlangt: „Also sach mal, ewig kannst Du das doch nicht mehr machen mit diesen Expeditionen und den vielen Touren. Du wirst doch nun auch nicht jünger.“ Und wenn die Entgegnung ausbleibt und ich nur mein Gesicht leicht verziehe als täte mir etwas weh, wird nachgehakt. Aber mit einer erschöpfenden Antwort kann ich trotzdem nicht...
Keine zwei Wochen noch bis zur großen Vortragspremiere im Gewandhaus! Und diesmal sieht es nach zwei bitteren Absagen 2020 und 2021 tatsächlich gut aus. Nun glaube ich inzwischen selbst, dass nichts mehr dazwischen kommt. Obwohl ich mir dessen noch vor drei Monaten alles andere als sicher war. Herr Lauterbach warnte mit ernster Miene vor der neuen Welle im Herbst.
Es wird aber auch Zeit! Zeit für richtige Abenteuer. Obwohl die beiden letzten Jahre ja auch so eine Art Dauer-Abenteuer gewesen sind. Denn wer wusste schon, wie sich ein Lockdown anfühlt?
In einem Artikel der beiden Autoren Anne van Galen und John van Giels, welche hauptberuflich Berater für Resilienz- und Risikomanagment für verschiedene Industriezweige und auch für Bergführer sind, geben sie uns Empfehlungen an die Hand, wie wir unsere Entscheidungsfindung gerade unter Duck verbessern könnten. (Resilienz ist ein Persönlichkeitsmerkmal, welches zum Tragen kommt, wenn Leute auf Änderungen in ihrer Umgebung mit der Anpassung ihres Verhaltens reagieren müssen. Zum Beispiel auf Verletzungen, Krankheiten, plötzliche Armut oder wie bei uns Bergsteigern auf Veränderungen der äußeren Bedingungen.)
Die Geschichte dieses denkwürdigen Freitags, der Tag also an dem aus einem stolzen Start zum Gipfel ein überstürzter Rückzug wurde, ist rasch erzählt. Für mich war die Bergung unseres Hochlagers am Laila der anstrengendste Tag der gesamten Unternehmung, anstrengender sogar als der Gipfeltag am Hidden Peak.
Nun sind sie weg. Die erste große Hürde bei der Vorbereitung unseres Feuerlandprojektes ist übersprungen. Und jetzt gibt es auch kein Zurück mehr. Die Boote sind heute in ihre große Luxuskiste gekommen und werden übermorgen nach Hamburg kutschiert. Dort gehen sie auf den Frachter. Und wenn alles planmäßig läuft, treffen sie am 22. Dezember am anderen Ende der Welt in Punta Arenas ein.
Zuerst die wirklich gute Nachricht. Wir haben die Boote schon so gut wie in Punta Arenas. In der dritten Oktoberwoche werden sie abgeschickt. Alle Unkenrufe zu diesem Thema sind untersagt. Denn ich glaube fest daran, dass wir nun auch diese wichtige Hürde auf dem Weg zu unserem Traumberg überwunden haben.
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